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Propriozeptionstraining zur Prävention und in der Rekonvaleszens

Was versteht man unter dem Begriff „Propriozeption“?     
Unter „Propriozeption“ versteht man die Tiefensensibilität des Körpers über die Lage, Haltung und Bewegung im Raum.
Der Name setzt sich aus den lateinischen Begriffen proprius (eigen) und recipere (aufnehmen) zusammen. Tagtäglich werden tausende dieser Informationen des IST-Zustandes von Propriozeptoren der Muskeln, Sehnen und Gelenke afferent über das Rückenmark an das Gehirn geliefert und verarbeitet.
Dies geschieht zum Glück unbewusst, ansonsten würden wir an nichts anderes mehr denken können und erklärt warum wir beispielsweise in Dunkelheit die Lage, Haltung und Bewegung unserer Gliedmaßen koordinieren können.
Als Reaktion auf den gemeldeten IST-Zustand werden efferent über unbewusste Reflexe die Muskelspannung angepasst, um die Gelenkstabilität zu erhöhen oder die Belastung einer Gliedmaße verändert.
 
In der Muskulatur gehören die Muskelspindeln und Golgi-Sehnenrezeptoren zu den Propriozeptoren. Rutscht das Pferd beispielweise beim Toben auf der Wiese mit einer Vordergliedmaße nach außen weg, reagieren die Muskelspindeln der Adduktoren reflexartig auf die Längenveränderung, um die Gliedmaße wieder heranzuführen und eine Muskelverletzung zu verhindern. Ein Beispiel für die Golgi-Sehnenrezeptoren ist ein scheuendes Pferd, welches sich losreißt. Wir öffnen hier unbewusst die Hand, in der wir den Strick halten, weil es ansonsten aufgrund der hohen Muskelspannung zu einem Sehnenabriss kommen könnte.
 
Das Propriozeptionstraining sollte als Präventionsmaßnahme von Verletzungen angesehen werden, da die Koordination und damit einhergehende Bewegungsqualität bei gesteigerter Tiefensensibilität verbessert werden.
Welches Equipment wird für ein effektives Propriozeptionstraining benötigt?
Für die Propriozeption braucht man kein Equipment, da dieser Informationsaustausch ununterbrochen im Pferdekörper stattfindet. Allerdings kann man die Tiefensensibilität fördern, indem man unterschiedliche Untergründe nutzt. Hier profitieren insbesondere Barhufer, da die Hufe Tastorgane darstellen.
Wie kann Propriozeptionstraining aussehen?
Ein gemeinsamer Waldspaziergang allein fördert schon die Propriozeption. Darüber hinaus kann man allerdings auch die Haltung des Pferdes entsprechend anpassen. Es liegt auf der Hand, dass die Tiefensensibilität eines Pferdes, welches überwiegend reizarm in Boxenhaltung gehalten wird, im Winter nur stundenweise auf einen kleinen Sandpaddock kommt und nur auf perfekten Böden gearbeitet wird, im Gegensatz zu einem Pferd, welches annähernd artgerecht auf unterschiedlichen Böden gehalten und gearbeitet wird, herabgesetzt ist und die Verletzungsrisiken steigen, da die Eigenwahrnehmung durch eine zu einseitige Bewegung und/oder Mangelbewegung herabgesetzt ist.
Stangentraining bietet sich bei trainierbaren Pferden als Propriozeptionstraining an, insbesondere hier ist die Verarbeitung der Reize über Lage, Haltung und Bewegung der einzelnen Gliedmaßen entscheidend, um die Gliedmaßen in entsprechender Höhe und Weite zu heben.
 
Lässt sich die Haltung des Pferdes nicht ändern oder es befindet sich beispielweise in Boxenruhe nach einer Verletzung kann die Propriozeption trotzdem über gezieltes Training gefördert werden. Gerade Pferde in der Rokonvaleaszens profitieren von Propriozeptionstraining, da die Tiefensensibilität nach längerer Verletzungspause und reizarmer Boxenhaltung oft verringert ist. 
 
Hier bietet sich Einsatz von Balance Pads, Turnmatten oder Matratzen an. Der Huf sinkt ja nach Härtegrad ein und das Pferd muss sich über Mikrobewegungen ausbalancieren, die Körperwahrnehmung und Tiefensensibilität werden verbessert. Sekundär wird hierüber die Gelenkstabilität erhöht, weshalb das Training auch hypermobilen Pferden zugutekommt.
Allerdings sollte der Einsatz vorher immer mit deinem Tierarzt/-in und oder Therapeuten/-in besprochen werden, da bestimmte Erkrankungen Kontraindikationen darstellen.
Wie starte ich mit Balance Pads?
Grundsätzlich sollte das Pferd langsam Schritt für Schritt an die Arbeit mit Balance Pads herangeführt werden. Auch sollte stets der Reaktion des Pferdes Beachtung geschenkt werden, die meisten Pferde genießen die Zeit auf den Balance Pads.  Ist dem nicht so, sollte die Reaktion des Pferdes ernst genommen werden. Die Arbeit mit Balance Pads sollte zudem immer auf Freiwilligkeit basieren und nicht erzwungen werden.
 
Am Anfang kann der Huf ähnlich wie beim Hufe auskratzen aufgenommen und auf einem Pad abgestellt und das Stehen bleiben belohnt werden. Allerdings ist es auch vollkommen normal und in Ordnung, wenn das Pferd das Bein wegzieht oder erstmal prüfen möchte um welchen Gegenstand es sich handelt.
Es kann einige Zeit dauern, bis das Pferd sich auf die Pads einlässt. Geht Schritt für Schritt vor, baut Lernpausen ein und überfordert eure Pferde zu Anfang nicht, dann wird es relativ schnell begreifen, dass die Pads wohltuend sind und eine entspannende Wirkung auf die Muskulatur haben.
 
Bleibt euer Pferd bereits auf einem Pad stehen, können nach und nach mehr Pads hinzugenommen werden, auch die Arbeit über die diagonalen Beinpaare ist sehr wertvoll.
 
Ich wünsche euch viel Spaß beim Ausprobieren.