Das Sprunggelenk/ Hinterfußwurzelgelenk (lateinisch: Art. tarsi) des Pferdes besteht aus mehreren Gelenkreihen, welche funktionell zusammenhängen.
Die Hauptbewegung in Beugung und Streckung findet im Art. tarsocruralis statt. Dieses Gelenk wird durch die Tibia (Gelenkfläche Cochlea tibiae) und den Talus (Gelenkfläche Trochlea tali) gebildet.
Als weitere Gelenkreihen sind das Art. talocalcaneocentralis (Talus, Calcaneus, Os tarsi centrale), Art calcaneoquartalis (Calcaneus, Os tarsale IV), das Art. centrodistalis (Os tarsi centrale, Os tarsale I, II, III), das Art tarsometatarsea (Os tarsale I, II, III, IV und Os metatarsale II, III, IV) sowie die Artt .intertarsea zu nennen. Zu den Intertarsalgelenken gehört das Art. talocalcanea, welches aus dem Talus und Calcaneus gebildet und von plantar durch das Lig. plantare longum (lange Sohlenband) stabilisert wird.
Die optimale Winkelung des Sprunggelenks für eine energische Kraftübertragung und physiologische Gliedmaßenstellung wird mit 130-135 Grad angegeben.
Doch warum weisen so viele Pferde steilere Winkelungen auf und welche Risiken entstehen?
Die Ursache von steileren Sprunggelenkswinkeln kann in einer rassetypischen Prädisposition liegen. Darüber hinaus gibt es allerdings einige Faktoren, die wir Reiter im Blick haben sollten.
Verspannungen der thorakolumbalen Faszie, beispielsweise aufgrund von Kompression durch einen unpassenden Sattel, unausbalancierten Reiter oder zu häufiges Reiten ohne Beachtung der Regenerationszeiten des faszialen Gewebes von bis zu 72 Stunden, führen aufgrund des Faszienkontinuums weiterführend zu einem erhöhten faszialen Tonus der Gluteal- und Oberschenkelfaszie, welche sekundär das Kniegelenk in eine steilere Winkelung ziehen können.
Des Weiteren kann die Hosenmuskulatur des Pferdes bestehend aus den Mm. biceps femoris, semitendinosus und semimembranosus als Folge von zu viel versammelnder Arbeit in der vorderen bis mittleren Stützbeinphase, beispielsweise aufgrund zu viel Einbeinstütze im Galopp, Abdrücken am Sprung, zu viel Training von Seitengängen, Übergangen und fliegenden Galoppwechseln, verspannen. Weitere Ursachen können auch untrainierte Bauchmuskulatur und ein zu schwerer Reiter sein, sodass das Pferd die Lendenwirbelsäule und den Lumbosakralen Übergang (LSÜ) über Abkippen des Sakrums stabilisiert. Da der M. biceps femoris die äußere Kniefaszie und die Mm. semitendinosus und semimembranosus die innere Kniefaszie spannen, führen Verspannungen der Hosenmuskulatur zu einem erhöhten Tonus auf die Kniefaszie, sodass das Kniegelenk ebenfalls in eine steilere Winkelung gezogen werden kann.
Aufgrund der steileren Winkelung ändert sich der Belastungspunkt der Tibia (Unterschenkel) vom Komplex aus Talus und Calcaneus, welches von plantar vom Lig. plantare longum (langen Sohlenband) stabilisiert wird in Richtung der kleineren Sprunggelenksknöchelchen. Das Risiko einer Spaterkrankung steigt durch die unphysiologische Belastung der kleinen Sprunggelenksknöchelchen, welche für diese Belastungssituation nicht vorgesehen sind. Der Körper reagiert zuerst mit Knochenabbau und anschließendem Knochenaufbau bishin zur Ankylose (Versteifung).
Als Frühwarnsystem gelten ringförmig aufgestellte Haare, auf Höhe der Querhaltebänder (Retinacula), welche ebenfalls auf diese veränderte Belastungssituation reagieren.
Weiterführend wird der Fesseltrageapparat überbelastet, der Katapulteffekt der Sehnen zur energiesparenden Fortbewegung verschlechtert sich bishin zur Bärentatzigkeit (starke Durchtrittigkeit). Das Risiko für Folgeschäden insbesondere der Beugesehnen und des Fesselträgers steigt.
Welche Rolle hat der M. fibularis tertius als Wächter des Sprunggelenks?
Der M. fibularis tertius entspringt an der Fossa extensoria des Femur (Oberschenkel) und zieht mit dem lateralen Schenkel an den Calcaneus und Os tarsale 4, mit dem mittleren Schenkel an das Os tarsi centrale, Os tarsale 3 und das Röhrbein sowie mit dem medialen Schenkel an das Os tarsi centrale, Os tarsale 3 und proximal an das Röhrbein.
Gemeinsam mit dem M. tibialis cranialis stellen diese Muskeln die Gegenspieler aller Muskeln dar, die das Sprunggelenk strecken. Als Sprunggelenksstrecker sind hier vor allem die großen Hosenmuskeln M. biceps femoris und M. semitendinosus sowie der M. gastrocnemius und die oberflächliche und tiefe Beugesehne zu nennen.
Um den Sprunggelenkswinkel von dorsal zu stabilisieren bei gleichzeitig starkem Zug der Sprunggelenksstrecker insbesondere der großen Muskelpartien des M. biceps femoris und M. semitendinosus durchreift der M. fibularis tertius unter kontrollierter Belastung ligamentär (Muskelgewebe zu stabilisierenden Band) zum Tendo femorotarseus.
Trainieren wir unsere Jungpferde dem Alter entsprechend mit wenig versammelnden Einheiten, einem passenden Sattel und unter Berücksichtigung der Pausenzeiten des faszialen Gewebes von bis zu 72 Stunden, geben wir dem M. fibularis tertius die nötige fasziale Reifezeit und profitieren bis ins hohe Alter von stabilen Sprunggelenkswinkeln, welche auch durch erstarkte Hosenmuskulatur im Zuge vermehrter versammelnder Arbeit nicht gerader gezogen werden können. Das Risiko einer Spaterkrankung und Fesselträgerschäden sinkt.
Der M. fibularis tertius wird daher zurecht als Wächter des Sprunggelenks bezeichnet.
Was können wir bei steilen Sprunggelenkswinkeln tun?
Weist ein Pferd bereits steile Sprunggelenkswinkelungen auf, sollte die Ursache behoben und anschließend mit gezielter Trainingstherapie begonnen werden. Es muss aber erwähnt werden, dass ein Training immer nur in lahmfreien Gangarten physiologisch ist.
Anschließend sollte das Equipment auf Passgenauigkeit untersucht und bei verspannter thorakolumbalen Faszie (Rückenlendenbinde) für mehrere Wochen ohne störendes Equipment auf dem Pferderücken trainiert werden. Der Pferdetherapeut deines Vertrauens sollte zudem die Faszien lösen und kann euch entsprechende Faszientapes mit auf den Weg geben.
Entgegen der verbreiteten Meinung, dass Pferde mit steilen Hinterhandwinkeln weiter zu versammeln und zu setzen sind, sollte das Pferd entsammelnd trainiert werden, da sich die Situation ansonsten weiter verschlechtern würde.
Zu einem entsammelnden Training gehört möglichst wenig Galopparbeit, nur große gebogene Linien, Dauermethode Trab, viel Arbeit in Dehnungshaltung und bitte keine Körperbandagen an der Hinterhand, da diese dazu dienen sollen die hier so wichtige kaudale Stützbeinphase abzubrechen.
Gezielt können auch Stangen mit weiterem Abstand zur Förderung der kaudalen Stützbeinphase eingesetzt werden. Hier sollte allerdings immer darauf geachtet werden, dass die Abstände nicht zu groß gewählt werden und der Rücken bei Pferden mit verspanntem M. latissimus dorsi und fester Rückenlendenbinde nicht in die Extension gezogen wird.
An langen Seiten kann das Pferd zudem vorsichtig ermutigt werden die Tritte zu verlängern und der M. gluteaus medius über gezielte Tapeanlagen angesprochen werden.
Dein/e Therapeut/in kann dir zudem Tapeanlagen zur Förderung der Beugung des Sprung- und Kniegelenks sowie den Einsatz von Gewichtsmanschetten zum Auftrainieren der Sprunggelenksbeuger erklären.
Hast du Fragen oder Anregungen? Dann melde dich gerne, ich helfe dir bei jeder Fragestellung gerne weiter,