Weichteilgewebe? Noch nie gehört..
Der Begriff „Weichteilgewebe“ fasst drei Strukturen des Pferdehufes zusammen, die in der täglichen Praxis leider viel zu wenig Beachtung erlangen. Hierbei handelt es sich um die Hufknorpel (Cartilago ungularis), das Strahlpolster und die Ballenpolster. Alle Strukturen sind im hinteren Hufbereich angesiedelt und erfüllen hier für die Pferdegesundheit elementare Aufgaben.
Welche Aufgabe erfüllen die Hufknorpel?
Die Hufknorpel befinden sich lateral und medial über den Hufbeinästen, sie schmiegen sich um die Ballenpolster und geben diesen ihre Form. In der Fußung des Pferdes erfüllen sie wichtige Aufgaben.
Die verschließarme Fußung des Pferdes wird bei jedem einzelnen Schritt maßgebend durch die Ausprägung der Hufknorpel beeinflusst. Schauen wir genauer hin, sehen wir ein Absinken des Fesselkopfes durch die Last des Pferdes in der Stützbeinphase. In diesem Moment wird, neben dem Vorspannen der Faszien für eine energiearme Fortbewegung, auch ein Schutzmechanismus des Körpers ausgeführt. Das Kronbein sinkt zwischen die Hufknorpel ab und der Stoß wird absorbiert. Aus diesem Grund sollten wir auf eine gute Ausprägung der Hufknorpel achten, denn er schützt das Krongelenk maßgeblich.
Die Ausgrägung des Hufknorpels lässt sich am abgestellten Pferdebein medial und lateral am aussagekräftigsten palpieren. Wir wünschen uns einen gut ausgeprägten Hufknorpel, der sich in der Palpation fest-elastisch anfühlt, wie ein Radiergummi und seine Funktion als Stoßdämpfer optimal erfüllen kann.
Ist der Hufknorpel sehr fest und sind ggf. auch Erhebungen zu fühlen, kann es sich um eine Hufknorpelverknöcherung handeln. Bei dieser Erkrankung verknöchert das Knorpelgewebe und reagiert damit meistens auf eine zu starke Belastung. Diese Belastung kann durch eine Fehlstellung mit damit einhergehendem zu starkem Zug auf die Ligamente, zu viel Arbeit auf harten Böden, wie beispielswiese bei Kutschpferden auf Asphalt und falsche Hufbearbeitung entstehen. Aber auch genetische und nutritive Einflüsse sind denkbar. Ein verknöcherter Hufknorpel kann seiner Funktion als Stoßdämpfung nur noch eingeschränkt nachgehen. Als Folge der verminderten Stoßdämpfung des Kronbeins entwickeln leider viele Pferde sekundär eine Krongelenksarthrose.

Welche Aufgaben erfüllen das Strahlkissen und die Ballenpolster?
Die Hufballen beherbergen die Ballenpolster, die seitlichen Hufknorpel und auch Teile des Strahlkissens, welche sich bis in die Ballen erstrecken. Die Ausprägung der Ballenpolster lässt sich daher optisch über die Hufballen einschätzen. Wir wünschen uns gesunde Hufe mit runden, gut gefüllten und gleichmäßig ausgebildeten Ballen. In der Praxis sehen wir häufiger lange Hornkapseln mit wenig Füllung der Ballen und damit leider eine herabgesetzte Stoßdämpfung in der Bewegung.
Das Strahlkissen bezeichnet den am aufgenommenen Huf nicht sichtbaren Teil oberhalb des Strahls, der sich innerhalb der Hornkapsel befindet. Nehmen wir den Huf auf und legen den Daumen von oben zwischen den Hufballen und den Zeigefinger von unten auf den Strahl ab, können wir die Ausprägung und Festigkeit des Strahlkissens bewerten. Häufig haben wir auch hier wenig Gewebe, es lohnt sich die Hufe ganz unterschiedlicher Pferde zu palpieren, um ein Gefühl für die unterschiedlichen Ausprägungen zu kriegen.
Pferde mit geringer Ausprägung des Strahlkissens neigen zu Erkrankungen an Bestandteilen der Hufrolle (Strahlbein, Strahlbeinschleimbeutel und unterer Abschnitt der tiefen Beugesehne), da diese Strukturen vermehrten Belastungen ausgesetzt und nicht ausreichend durch genügend Faserknorpel geschützt werden.

Wie baue ich das Weichteilgewebe effektiv auf?
Grundsätzlich fördert jeder Schritt den Aufbau des Weichteilgewebe der Pferde. Es sollte daher zu allererst ein kritischer Blick auf die Haltung des Pferdes geworfen werden. Steht das Pferd in Boxenhaltung mit nur wenigen Stunden freier Bewegung, ist es schier unmöglich ein gut ausgeprägtes Weichteilgewebe zu erwarten. Denn durch die Bewegung des Pferdes und den ständigen Wechsel aus Druck und Entlastung sowie auf unebenen Untergrund wird das Weichteilgewebe aufgebaut. Aber hierfür müssen die Hufe genutzt werden.
Dieser Aufbau ist auch bei junden Pferden kein anderer. Bei der Geburt bestehen Strahlkissen und Ballenpolster der Pferde noch aus Fettgewebe und durch das steigende Gewicht und die kontinuierliche Belastung wird Faserknorpel eingelagert.
Und jetzt kommt die gute Nachricht:
Die vermehrte Einlagerung des Faserknorpels kann auch bei einem erwachsenen Pferd gefördert werden.
Gesundes Knorpelgewebe entsteht durch eine Nutzung des hinteren Hufbereichs durch eine leichte Trachtenfußung, eine entsprechende Nährstoffversorgung (Stichwort: Rationsberechnung), eine gute Betreuung der Hufe und Bewegung auf zusammenpassenden und stimulierenden Böden. Stimulierende Böden sind kein Asphalt oder gepflasterte Flächen, da hier unter anderem die Querdehnung der Ballen unzureichend ist. Sondern Einsinkeböden. Hier favorisiere ich besonders Kies mit 2-6 mm Körnung als Bestandteil der Paddockgestaltung.
Probier nach und nach einzelne Schritte umzusetzen, denn der Bewegungsapparat jeden Pferdes profitiert von einem gut ausgeprägten Weichteilgewebe mit ausreichend Mikrogefäßen zur hydraulischen Stoßdämpfung.
